„Baukunst beruht auf drei Prinzipien: Firmitas (Festigkeit, Stabilität), Utilitas (Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit) und Venustas (Anmut, Schönheit). Ein schönes Bauwerk zeichnet sich durch ein angenehmes und gefälliges Aussehen aus und besitzt ein ausgewogenes Verhältnis der Einzelteile zueinander“, das wusste bereits der römische Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio). Er lebte im 1. Jahrhundert vor Christus.
So einfach sich diese über 2.000 Jahre alten Zeilen auch anhören, sehr häufig bleiben diese Grundprinzipien heute jedoch unerfüllt. Obwohl sich Architektur maßgeblich über Form und Oberfläche ausdrückt, wird heute die Architekturoberfläche meist als auswechselbares Gewand betrachtet. Dies führt geradewegs zu Willkür – dem größten Feind guter Baukunst.
Während Willkür in der Baugestaltung einem undefinierbaren Geräusch gleichzusetzen ist, zeichnet sich eine gelungene Gestaltung dadurch aus, dass Form und Oberfläche mit Struktur und Farbe dieselbe Sprache sprechen – von innen nach außen und von außen nach innen. Nur dann ist der Anspruch klar und das Gebäude oder der Raum hat einen guten Klang.
Wer nun nach einfachen Regeln und Gestaltungsprinzipien fragt, der wird enttäuscht oder gar getäuscht. Schon die Farbgestaltung nach „System“ führt meist zu banalen Ergebnissen. Und kommen erst Oberflächenstrukturen dazu, ist es vorbei mit Katalogkonzepten. Bei der Suche nach der richtigen, zum Gebäude passenden Oberfläche ist es wichtig, in das Gebäude „reinzuhorchen“. Wo ist hinten, wo vorn, wo der Schwerpunkt? Gibt es differenzierte Bereiche, eine Peripherie? Ist das Gebäude gefühlt eher in- oder extrovertiert? Wie positioniert es sich im Umfeld? Der Fragenkatalog, der hier gedanklich abgearbeitet werden soll, bleibt unbegrenzt und kein Computer kann das hier nötige menschliche Empfinden ersetzen.