Nr. 1/2017
Das online Kundenmagazin der Schwenk Putztechnik

Architektur und Putz - Eine besondere Beziehung |

Architektur ohne Oberfläche gibt es nicht. Ein Putz ist dabei die materielle und ästhetische Vermittlungsebene zwischen der Architektur und der Umwelt. Er ist eben nicht nur Oberfläche (surface), sondern die Schnittstelle (interface), über die die Architektur mit den Betrachtern kommuniziert.

VON HARRY LUIK

BEI DER SUCHE NACH DER RICHTIGEN, ZUM GEBÄUDE PASSENDEN OBERFLÄCHE IST ES WICHTIG, IN DAS GEBÄUDE „REINZUHORCHEN“.

„Baukunst beruht auf drei Prinzipien: Firmitas (Festigkeit, Stabilität), Utilitas (Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit) und Venustas (Anmut, Schönheit). Ein schönes Bauwerk zeichnet sich durch ein angenehmes und gefälliges Aussehen aus und besitzt ein ausgewogenes Verhältnis der Einzelteile zueinander“, das wusste bereits der römische Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio). Er lebte im 1. Jahrhundert vor Christus.

So einfach sich diese über 2.000 Jahre alten Zeilen auch anhören, sehr häufig bleiben diese Grundprinzipien heute jedoch unerfüllt. Obwohl sich Architektur maßgeblich über Form und Oberfläche ausdrückt, wird heute die Architekturoberfläche meist als auswechselbares Gewand betrachtet. Dies führt geradewegs zu Willkür – dem größten Feind guter Baukunst.

Während Willkür in der Baugestaltung einem undefinierbaren Geräusch gleichzusetzen ist, zeichnet sich eine gelungene Gestaltung dadurch aus, dass Form und Oberfläche mit Struktur und Farbe dieselbe Sprache sprechen – von innen nach außen und von außen nach innen. Nur dann ist der Anspruch klar und das Gebäude oder der Raum hat einen guten Klang.

Wer nun nach einfachen Regeln und Gestaltungsprinzipien fragt, der wird enttäuscht oder gar getäuscht. Schon die Farbgestaltung nach „System“ führt meist zu banalen Ergebnissen. Und kommen erst Oberflächenstrukturen dazu, ist es vorbei mit Katalogkonzepten. Bei der Suche nach der richtigen, zum Gebäude passenden Oberfläche ist es wichtig, in das Gebäude „reinzuhorchen“. Wo ist hinten, wo vorn, wo der Schwerpunkt? Gibt es differenzierte Bereiche, eine Peripherie? Ist das Gebäude gefühlt eher in- oder extrovertiert? Wie positioniert es sich im Umfeld? Der Fragenkatalog, der hier gedanklich abgearbeitet werden soll, bleibt unbegrenzt und kein Computer kann das hier nötige menschliche Empfinden ersetzen.

KURBELN UND LOS! Spritzputz wird mit dem „Wormser“ in mehreren Lagen aufgespritzt.

Bedeutung der Oberfläche

Die Form wird sozusagen erst mit der Oberfläche komplett und manifestiert sich in der Architekturoberfläche. Sie übernimmt die Feinjustierung, sie kann korrigieren, abschwächen oder verstärken. Ziel dabei ist es, zur gewollten Aussage der Form zu kommen. Natürlich ist nicht jede Architektur und Form in sich perfekt und stimmig. Ob im Neubau oder im Altbau, oft sind Korrekturen notwendig, die sich an der Oberfläche abspielen können. Aber auch dieser Vorgang bedeutet nichts anderes, als dass die für die entsprechende Form bestimmte Oberfläche gefunden werden muss. Trifft man im Altbau bei der Sanierung auf Gestaltungs- und Farbunfälle, liegt die große Chance und auch die ehrenwerte Pflicht der Planenden und Ausführenden darin, diese Sünden zu korrigieren. Damit werden die Gedanken zwangsläufig in die Vergangenheit geführt, zu den Intensionen des ursprünglichen Entwurfes und des baulichen Werdegangs. Oft findet dann sogar eine „Wiederbelebung“ des Gebäudes statt, indem lediglich die Oberflächen auf die Form abgestimmt werden. Dies kann sowohl durch die Nutzung der ursprünglichen Putztechnik, als auch durch eine neue, erstmals passende Oberfläche erfolgen.

Charakter durch Putz

Egal welcher Putz ein Gebäude an der Oberfläche abschließt, es wird zwangsläufig ein Charakter geschaffen. Welcher Charakter es sein wird, hängt nicht allein von der Farbgebung ab und auch nicht nur vom Putztyp. Was letztendlich die Erscheinung und Wirkung von Gebäuden ausmacht, ist mehr als nur das Anbringen irgendeiner Masse. Die Zusammensetzung des Materials – der chemische und physikalische Charakter – ist dabei genauso entscheidend wie die sich bildende Oberfläche. Nicht zuletzt spielen die Herstellung und Bearbeitung durch Hände, Maschinen und Werkzeuge, die speziell oder „unspeziell“ dafür verwendet werden können, eine tragende Rolle.

Qualität der Oberfläche

Die Bedeutung der Bautechniken und Materialieneigenschaften von Putz veränderte sich in der Vergangenheit immer weiter in Richtung technischer Leistungsfähigkeit, während der baukünstlerische Stellenwert in den Hintergrund rückte. Der Höhepunkt der Putzvielfalt wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreicht, was heute noch an Gebäuden dieser Epoche mit Wehmut ablesbar ist. Heute ist leider ein Punkt erreicht, bei dem die Art der Struktur meist gar keine Rolle mehr spielt. Stattdessen beschränkt sich das Qualitätsmerkmal heute hauptsächlich nur noch auf die Gleichmäßigkeit einer geriebenen Kornstruktur.

Allem voran ziert heute der dünnlagige, geriebene „Kratzputz“ in der Korngröße 3 mm amtliche Fassaden im Alt- und Neubau – unauffällig und unbedeutend, meist in der Farbe Weiß. Diese Situation erinnert an die Aussage von Karl Lagerfeld: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Eine gewisse Gemeinsamkeit mit der Verbreitung des 3-mm-Kratzputzimitats ist nicht zu leugnen. Er passt überall, ist praktisch, billig, leicht zu applizieren, pflegeleicht und gut zu flicken. Somit kann es auch Stuckateuren und Malern passieren, dass sie die Kontrolle über ihr Handwerk verlieren. Zumindest schwinden im Allgemeinen das Wissen um Materialität und Zusammensetzungen sowie handwerkliche Fertigkeiten immer mehr. Die Lehre und die Übertragung von historisch wertvollem Wissen bleiben nur interessierten Fachhandwerkern vorbehalten, die sich selbst darum bemühen und Freude an der Vielfalt der Putze haben.

RICHTIG KÖRNIG: Besenstrich mit grobem Korn und Eibenbesen, freihändig gezogen (Bild oben) und 7-mm-Edelkratzputz im Kontrast zu Sichtbeton (Bild unten).

GEBÄUDEGLIEDERUNG MIT PUTZEN: Erdgeschoss mit Bossenprofilen (Bild oben) und Bossengliederung mit Modellierung sowie Sockel mit Kellenwurf (Bild unten).

Vielfalt der Putze

Das Erscheinungsbild eines Putzes muss nicht zwangsläufig im Vordergrund stehen. Die Aufgabe eines Putzes kann auch im Zurücknehmen liegen, zum Beispiel wenn Proportionen, Profilierungen und Gliederungen zu betonen sind. Generell sind bei der Fassadengestaltung immer Ausgewogenheiten und Hierarchien durch Über- und Unterordnung zu beachten. Ein schwerer, aufdringlicher Putz wäre beispielsweise zwischen fein profilierten Stuckfriesen zu massig. Doch die Größe des Korns ist nur eine von vielen Variablen, welche den Charakter eines Putzes bestimmen. Es ist die Synthese aus der Materialzusammensetzung, der sich bildenden Oberfläche und der handwerklichen Fertigung.

Struktur

Allgemein wird bei Putzen über die Struktur als charakterisierendes Merkmal gesprochen. Das ist jedoch nur ein Überbegriff, der differenziert werden muss. So bezieht sich die Bezeichnung Struktur zunächst nur auf die unveränderbare Aufbauart des Materialgefüges. Jedes Material besitzt also eine eigene Struktur. Metalle haben zum Beispiel eine kristallinische und Papier eine faserige Struktur. Bei Kalk sind es beispielsweise die Calcitkristalle, die die Struktur charakterisieren. Die Körnung entscheidet über die Struktur, neben der Größe auch durch deren Härte und Weichheit, durch gebrochenes oder rundes Korn. Die Sieblinie bestimmt die Kornverteilung und kann Putze in deren Perfektion charakterisieren.

Der Charme historischer Putze liegt nicht zuletzt an der „unperfekten“ Sieblinie, die sich zwangsläufig bei Baustellenmischungen ergibt. Ausgefeilte Kornverteilungen industrieller Herstellung können Oberflächen nachteilig steril aussehen lassen und im Kontext mit weiteren Bauteilen ungünstig wirken. Beim Versuch der Nachbildung alter Putze aus Baustellenmischungen wird deutlich, dass sich die Lebendigkeit einer Putzstruktur mit industriellen Putzen schwer imitieren lässt. Meist ist dies auch der geforderten Maschinengängigkeit durch Sieblinien runder Körnungen zu verdanken.

Weiter spielen der Bindemittelanteil, die Füllstoffe, der Zuschlagsstoff und die Farben der Zuschläge bei ungestrichenen Putzen eine sehr wichtige Rolle. Unmittelbar nach der Fertigstellung der Oberfläche entscheiden nicht nur die Zuschläge, zum Beispiel Natursteine, Gläser, Glimmer in Farbe und Material, über die Ästhetik. Auch die Patina bildet sich über längere Zeit durch Erosion des Bindemittels und Freilegung der Zuschläge aus.

DIE ANMUTUNG HAT BEI MINERALISCHEN TEXTUREN EINE WESENTLICH HÖHERE QUALITÄT.

Textur

Nach der Applikation bestimmen die physikalischen und/oder die chemischen Reaktionen die Aushärtung. Dadurch entsteht die Textur. Sie ist die organisch entstandene Abschlussfläche jeder Struktur nach außen. Bei Kalk beschreibt die Textur sowohl die natürlich entstandene Sinterhaut als auch deren Abbau durch Witterungseinfluss. Der Begriff Architekturoberfläche sollte sich daher in erster Linie auf Putze beziehen, die physikalisch mit der Architektur verbunden sind und die Architektur beschichten, also vor allem mineralische Putze und Farben. Deutlich wird dies am Beispiel von Silikatfarben oder freskal aufgetragenen Kalktünchen, die mit der Textur des Putzes durch Kristallbildung verschmelzen und die Anmutung unterstreichen. Kunststoffputze und -farben schließen mit jeder Schicht das jeweils Darunterliegende durch Filmbildung ab. Diese Sterilisation ist für den Betrachter nicht gleich offensichtlich als Fehler zu erkennen. Die Anmutung hat jedoch bei mineralischen Texturen eine wesentlich höhere Qualität. Selbst wenn der Betrachter den technischen Unterschied nicht sehen kann, über die positive Wirkung mineralischer Oberflächen kann nicht hinweggetäuscht werden.

Faktur

Sie ist die Art und Erscheinung, der sinnlich wahrnehmbare Werkprozess, welcher sich bei der Bearbeitung am Material zeigt. Die Faktur ist die Oberfläche des von außen her veränderten Materials. Neben der Struktur und der Textur beschreibt die Manufaktur die handwerkliche Fertigung der Putzoberfläche. Die Möglichkeiten sind hier fast unerschöpflich. Der Kreativität, hiermit Architektur, Baukörper und Formen zu beeinflussen, sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Bei aller Vielfalt können verschiedene Arten von Bearbeitungstechniken in Gruppen eingeteilt werden. Die Bezeichnungen der Techniken sind meist regional unterschiedlich:

ÄSTHETIK IN PERFEKTION: Vollabrieb mit 0,3 mm und Glimmeranteil auf WDVS.

Anwerfen: Der körnige Mörtel wird als Kellen oder Rieselwurf ausschließlich von Hand an die Wand geworfen und ist dann nicht mehr korrigierbar. Mit der flüssigen Konsistenz und dem händischen Wurf wird die Fassade zum Unikat. Die Faktur ist hier absolut frei von Sterilität. „Rotzige“ Flächen unterstreichen Baukörper mit Gelassenheit und Masse. Die Anmutung zeugt von Beständigkeit, ja sogar Ewigkeit, und ist genauso wie die Herstellung: So wie sie eben ist.

Spritzen: Feiner und „edler“ als der Kellenwurf ist der Spritzputz. Er wird mit Handspritzgeräten oder maschinell in mehreren Lagen appliziert und bleibt danach unbearbeitet. Auch eine händische Applikation durch Anspritzen mit verschiedenen Arten von Besen ist möglich. Die Struktur wird spitz und fein zugleich. Eine möglichst gleichmäßige Kornverteilung ist Ziel und Zweck der Technik. Die Oberfläche wirkt erhaben und zurückhaltend zugleich.

Reiben: Die Putzdicke ergibt sich aus der Kornstärke des größten Korns. Das Größtkorn charakterisiert den Putz entweder als rundes (gewaschenes) oder als scharfes (gebrochenes) Korn. Nach dem Anwerfen oder Antragen wird der Putz mit dem Reibebrett aus Holz, Kunststoff oder Moosgummi gerieben. Reibeputze mit rundem Korn erzeugen wurmartige Rillen, die der Reiberichtung parallel, rund oder richtungslos folgen. Die Wandflächen können mit der Reiberichtung in ihrer Größenwirkung beeinflusst werden. Baukörper können gestreckt oder gedrängt werden.

Reibeputze mit scharfen Körnungen hinterlassen hingegen keine Spuren. Das Reiben hat hier lediglich den Zweck der gleichmäßigen Kornverteilung. Die Struktur ähnelt dem Edelkratzputz, weshalb der Reibeputz fälschlicherweise oft als Kratzputz bezeichnet wird. In der Körnung mit 3 mm verkörpert er die „Jogginghose“ der Fassade. Reibeputze sind klassisch, zeitlos und definieren sich hauptsächlich über ihre Korngröße. Mit Korngrößen unter 3 mm wirken sie unterordnend und überlassen die Gesamtwirkung dem Baukörper.

REIBEPUTZE WIRKEN AM BAUKÖRPER KLASSISCH UND ZEITLOS.

KRAFTVOLLE WIRKUNG: Eine kontrastreich abgewitterte Putzoberfläche.

Reiben im Vollabrieb: Die feine Art der Oberflächengestaltung wird durch Verzicht auf das Führungskorn erreicht. Stattdessen werden feinere Körnungen bis 1 mm in einer Putzdicke aufgetragen, die über der Kornstärke liegt. Die Fläche wird im eigenen Saft oder mit zusätzlicher Benässung durch Reiben mit Schwamm, Moosgummi oder Filz geebnet, wodurch eine flache Oberfläche entsteht. Die Oberfläche ist sehr zurückhaltend und lässt Baukörper in der reinen Form wirken. Eine kleine Korrektur der Baukörperdimensionen ist nur in Verbindung mit anderen kontrastierenden Putzstrukturen möglich. Je nach Sieblinie, Zuschlägen und Ausreibung wirkt die Fläche edel, natürlich, lebendig oder flach.

Streichen/Modellieren: Eine sehr freie Form der Oberflächengestaltung ist die Bearbeitung einer Putzfläche mit verschiedene Größen und Arten von Glättekellen. Die Oberfläche wird nach dem Antragen mit dem Werkzeug gestrichen, wobei hier das Zusammenspiel von Körnung, Konsistenz, Putzdicke, Glättrichtung und dem Kellenschlag selbst das Endergebnis bestimmt. Weiter ist hier das Verwaschen mit der Bürste in angesteiftem Zustand möglich. Bei der freskalen Bearbeitung mit einer Kalkschlämme wird die Textur noch weicher. Die Anmutung erinnert an Landhäuser und Klöster. Entsprechend wäre die Anwendung an klaren, schlichten Baukörpern nicht sinngemäß und würde eher aufgesetzt wirken.

Kratzen: Echte mineralische Edelkratzputze werden als dicklagige Oberputze ausgeführt. Die Betonung auf „edel“ ist deshalb sinnvoll, um Edelkratzputze von den bereits oben erwähnten dünnlagigen Kratzputzimitaten abzugrenzen. Echte Edelkratzputze werden oft als „Könige der Putze“ bezeichnet und in höherer Schichtdicke (ca. drei- bis vierfache Kornstärke) appliziert. Die Struktur entsteht beim Abkratzen mit dem dabei herausspringenden Korn. Der Edelkratzputz bleibt ungestrichen und betont mit seiner einzigartigen Textur die Natürlichkeit eines Baukörpers. Mit Korngrößen von 1 bis 10 mm reicht die Spannbreite der Effekte von bescheiden bis derb. Edelkratzputze sollten nur dann gestrichen beziehungsweise lasiert werden, wenn es sich nicht vermeiden lässt, zum Beispiel bei nicht entfernbarer Verschmutzung. Hierfür eignen sich ausschließlich mineralische Farben. Dispersions- und auch Silikonharzfarben haben auf Edelkratzputzen nichts zu suchen. Ähnlich wie beim Edelkratzputz verhält sich die Herstellung des Waschputzes, der nach dem Anhärten zwar nicht gekratzt, aber an der Oberfläche mit Wasser, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Säure, abgewaschen wird. Das freigelegte Zuschlagskorn bildet eine steinartige Oberfläche aus.

Kämmen: Mit gezielter Modellierung können Baukörper ausgerichtet werden. In senkrechter, vertikaler oder gekreuzter Anordnung können geradlinige oder wellenartige Bahnen gezogen werden. Auch hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die möglichst akkuraten Profilierungen mit Schablonen oder Zahnkämmen ähneln einem Stuckzug. Der Baukörper wird über die Oberfläche zum plastischen Ornament. Der Ausdruck wird über die Größe und Art der Profilierung gesteuert.

Bürsten und streichen: Der historische Besenstrich erlebt derzeit eine Renaissance und wird immer mehr auch an neuen Gebäuden angewandt. Es ist eine einfache Art der Oberflächengestaltung, bei der sowohl Kunststoffbesen als auch selbst gebundene Besen aus Eiben- oder Birkenzweigen zur Anwendung kommen.

Die Streichrichtung wird gerichtet oder ungerichtet als Besenschlag im Kreuzgang ausgeführt. Die freie Fakturierung der Oberfläche wirkt mit werkzeugbedingten Ansätzen unperfekt. Die Abstimmung auf die Architektur des Gebäudes muss sensibel erfolgen. Strenge Formen können gewollt aufgelöst werden, die typisch unperfekte Faktur kann für den Betrachter aber auch aufgesetzt und fremd wirken.

Schablonieren und stempeln: Putz lässt sich nahezu in alle Formen bringen und so auch mit Schablonen und durch das Eindrücken von Formen plastisch gestalten. Bei dieser Art rückt der Baukörper vollständig in den Hintergrund und die Ornamentik plakativ in den Vordergrund. Dies kann beispielsweise bewusst von ungünstig proportionierten Gebäudeformen ablenken oder einen Kubus auflösen.

WIR WOLLEN ES.
WIR KÖNNEN ES.
WIR MACHEN ES.

Abziehen und glätten: Ob grob oder fein, Putze können spiegelglatt-glänzend oder halboffen-matt geglättet und geschliffen werden. Auch grobkörnige Putze können grob abgezogen werden. Die Anmutung wird von der Sieblinie bestimmt. Je glatter die Oberfläche, desto mehr spielt zusätzlich die Ebenheit eine Rolle. Diese kann gewollt wellig oder auch mit anspruchsvoll hohem Aufwand egalisiert sein.

Die Aufzählung aller Putze und Technologien ist praktisch unmöglich, und in jeder Art stecken weitere vielfältige Varianten. Umso trauriger ist die Tatsache, dass sich diese Vielfalt bei Neubauten so gut wie nicht wiederfindet. Und im Bestand werden anspruchsvolle Putzoberflächen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit mit der „K3-Jogginghose“ glattgebügelt. Während immer mehr Häuser und gesamte Stadträume ihren Charme verlieren, erfreuen wir uns an unberührten Altstädten und bestaunen die Kraft zeitloser Fassadenarchitekturen. Die Nachfrage nach dem Besonderen gilt es zu erhöhen und die Angst vor Neuem – das in Wahrheit gar nicht neu ist – gilt es aufzulösen. Architekten und Planer wollen es, das Stuckateurund Malerhandwerk kann es – machen wir es!

Dipl.-Ing. Harry Luik ist Architekt, Stuckateurmeister und Gebäudeenergieberater der Handwerkskammer Reutlingen. Zudem ist er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk (HWK) sowie Sachverständiger für Schäden an Gebäuden (IFBAU).

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