Bei schwer entflammbaren WDVS gibt es verschiedene Lösungen, die im Brandfall für mehr Sicherheit sorgen. Was gilt es jetzt und zukünftig zu beachten?
VON BETTINA HAHN
Mit Änderung der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen der Systemanbieter im Januar 2016 wurde bekannt, dass zusätzliche Brandschutzmaßnahmen bei der Erstellung von schwerentflammbaren WDVS mit Polystyrol-Dämmstoffen notwendig sind. Dies bringt es mit sich, dass die Fassade, insbesondere bei den Gebäudeklassen 4 und 5, bei denen die Musterbauordnung/Landesbauordnung für die Fassadenbekleidung mindestens die Schwerentflammbarkeit (B1 nach DIN 4102-1) fordert, in unterschiedliche Abschnitte unterteilt wird:
Um die Anforderungen der Schwerentflammbarkeit eines Wärmedämm-Verbundsystems (WDVS) mit EPS zu erfüllen, ist in der Schutzzone „Sockel“ das Anbringen umlaufender Brandriegel aus Mineralwolle in unterschiedlichen Abständen von der Geländeoberkante notwendig. Diese werden mittels systemzugehörigem mineralischem Kleber vollflächig verklebt und mit systemzugehörigen Dübeln befestigt. In der Schutzzone „Raumbrand“ bestehen mehrere Varianten zur Ausbildung konstruktiver Brandschutzmaßnahmen: Sie können ebenfalls in Form von umlaufenden Brandriegeln in jedem zweiten Geschoss erfolgen. Alternativ kann bei Gebäudeöffnungen über jeder Tür und jedem Fenster ein Sturzschutz eingebaut werden. Steht ein Fenster vor der Rohbaukante, ist anstelle des einfachen Sturzschutzes eine dreiseitige Einhausung vorzunehmen. Je nach Anwendung und Tragfähigkeit des Untergrundes können unterschiedliche Dämmstoffarten zum Einsatz kommen, die ggf. zusätzlich mechanisch zu befestigen sind.
Darüber hinaus ist in gleicher Weise ein Abschlussriegel unterhalb des Dachs anzubringen, falls dort brennbare Bestandteile wie brennbare Dämmstoffe, Solaranlagen, Hölzer/Sparren, Holzschalungen etc. verbaut sind.
Diese Vorgehensweise bezieht sich auf den „Regelaufbau“: Mauerwerk mit/ohne Putz, WDVS mit bis zu 300 mm Dämmstoffdicke und „klassischer Beschichtung“. Bei Aufbauten wie Holztafelbau oder auch WDVS-Bekleidungen mit Keramik- oder Naturstein (Hartbelägen) sind andere Ausführungen einzuhalten. Die Details können der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des jeweiligen Systemanbieters entnommen werden. So viel zum grundsätzlichen und zwischenzeitlich häufig anzutreffenden Prozedere bei der Ausführung von schwerentflammbaren WDVS mit EPS-Dämmstoffen.
Die Umsetzung von, in den Zulassungen eher allgemein beschriebenen, Brandschutzmaßnahmen führt in der Praxis regelmäßig zur Frage nach fachgerechten Detailausbildungen. Zahlreiche Informationen und Praxisbeispiele finden sich im Kompendium „WDVS und Brandschutz“ des Fachverbands WDVS. Auf Aspekte, die in der Beratung häufig für Unsicherheit sorgen, wird dort ausführlich eingegangen.
EINE GEWISSENHAFTE PLANUNG IM VORFELD ERLEICHTERT DIE NACHFOLGENDE PRAKTISCHE AUSFÜHRUNG DES WDVS.
DETAILBEISPIELE
Nachfolgend werden aus den zahlreichen Detailbeispielen zwei Fälle dargestellt. Bei der Planung im Neubau können wichtige Details im Vorfeld berücksichtigt werden, um die spätere Ausführung der zusätzlichen Brandschutzmaßnahmen im WDVS so einfach wie möglich zu gestalten. Zum Beispiel ist es möglich, den Brandriegel an eine thermisch getrennte Kragplatte anzuschließen, die sehr häufig im Bereich der Balkone anzutreffen ist. Bei entsprechender Planung kann diese als Ersatz bzw. als Fortführung des Brandriegels verwendet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Kragplatte über einen entsprechenden Feuerwiderstands-Nachweis verfügt, der mindestens feuerhemmend F30 nach DIN 4102-2 bzw. REI 30 nach DIN EN 13501-2 bestätigt.
Weiterhin sollte bei der Planung die Platzierung von Leitungen – zum Beispiel Lüftungsanlagen, Rohre, Kabel etc. – bedacht werden. Ein Durchdringen der Brandriegel ist zu vermeiden, um den durchgängigen Schutz gegen eine geschossübergreifende Brandausbreitung zu erhalten.
Sinn und Zweck dieser Vorgaben ist es – und das gerät nach Einschätzung der Autorin oftmals in den Hintergrund –, im Falle eines Brandes Leib und Leben sowohl der Bewohner als auch der Rettungskräfte zu schützen.
Die zusätzlichen Brandschutzmaßnahmen sorgen bei fachgerechter Ausbildung dafür, dass die Brandausbreitung ausreichend lange – bis zum Eintreffen der Feuerwehr – begrenzt wird.
Dieses Schutzziel wird von den Landesbauordnungen für die Gebäudeklassen (GK) 4 und 5 gefordert. Bei den GK 1 bis 3 (Oberkante Fußboden der obersten Geschossdecke ≤ 7 Meter) fordern die Landesbauordnungen lediglich die Normalentflammbarkeit. Doch ist es auch hier sinnvoll, WDVS mit EPS-Dämmstoffen schwerentflammbar auszuführen. Obwohl bei diesen Häusern mit geringer Gebäudehöhe die Fluchtwege im Brandfall für einen gesunden Menschen relativ schnell und sicher zu erreichen sind, darf nicht vergessen werden, dass die Gebäude oftmals auch von älteren, teilweise gehbehinderten Menschen und Kleinkindern bewohnt werden. Deren Reaktionszeit und Schnelligkeit ist unter diesen Umständen oftmals langsamer. Daher wird vom Fachverband WDVS auch für diese Gebäudeklassen das Anbringen eines schwerentflammbaren WDVS empfohlen – getreu dem Grundsatz: „SAFETY FIRST!“
Das Brandverhalten und somit die Verwendbarkeit eines WDVS ist der jeweiligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) zu entnehmen. Gemäß aktuellen Regelungen ist vom Systemanbieter für den Nachweis der Schwerentflammbarkeit von WDVS mit EPS-Dämmstoffen Folgendes zu dokumentieren: Zum einen Prüfungen im Brennkasten und Brandschacht bzw. im SBI-Prüfstand, sowie zum anderen Beurteilungen des Brandverhaltens durch Versuche im Originalmaßstab gemäß DIN 4102-20 und ggf. nach der Sockelbrandprüfung (vgl. Entwurf MVV TB).
Die Prüfungen im Originalmaßstab sind immer dann notwendig, wenn das WDVS von den Randbedingungen der Standardgutachten abweicht. Diese Gutachten sind das Ergebnis von bereits durchgeführten Versuchen des Fachverbands WDVS, des Industrieverbands WerkMörtel sowie der Bauministerkonferenz.
KOMBINATION VON BRANDSCHUTZMASSNAHMEN GEGEN SOCKEL- UND RAUMBRAND
Aktuell gibt es kein europäisch harmonisiertes Prüfverfahren für Fassadenbrandprüfungen. Auf europäischer Ebene wird jedoch die Ausarbeitung eines solchen Prüfszenarios vorangetrieben. Da die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Anforderungen an die Gebäude selbst und deren Fassadenbekleidungen (Schutzziele) haben und dementsprechend verschiedene Prüfverfahren anwenden, stellt sich der Prozess einer Vereinheitlichung für alle EU-Länder schwierig dar. Weiterhin wird es notwendig sein, Korrelationen zwischen neuen und bestehenden Prüfverfahren herzustellen, um zukünftig Übergänge in den Regelungen zu ermöglichen.
Ein europäisch einheitliches Prüfverfahren ist auch deshalb notwendig, weil die bauaufsichtlichen Anforderungen an Gebäude in Deutschland gemäß der Landesbauordnungen unterteilt werden in:
Leichtentflammbare Dämmstoffe sind generell verboten. Diese Bauwerksanforderungen sind jedoch nicht völlig deckungsgleich mit der europäischen Klassifizierung von Bauprodukten (also auch WDVS) nach DIN EN 13501-1, die von A1 bis F reicht und zusätzlich die Rauchentwicklung und das brennende Abtropfen bewertet. Ohne ein europäisch einheitliches Prüfverfahren wird es nach dem EuGH-Urteil bei WDVS mit CE-Zeichen (aktuell auf Grundlage einer ETA, künftig europäische Norm für WDVS) nicht möglich sein, die Erfüllung der Bauwerksanforderung „schwerentflammbar“ zu deklarieren, nachdem laut EuGH-Urteil nationale Ergänzungsprüfungen bei harmonisierten Bauprodukten unzulässig sind.
Aufgrund dieses Urteils entfallen bereits die Dämmstoffzulassungen für Dämmstoffe zur Anwendung im WDVS. Da diese wichtigen Zusatzinformationen etwa Fragen zur Standsicherheit enthalten, werden bei Änderungs- und Neuanträgen von WDVS-Zulassungen bereits entsprechende Informationen in den Systemzulassungen ergänzt. Dadurch werden Regelungslücken vermieden und die Anwendungsbreite bestehender Systeme bleibt erhalten. Die System-abZ werden dadurch einerseits umfangreicher, andererseits enthalten sie nun auch jene Informationen, die bislang separaten Zulassungen zu entnehmen waren.
Die umfangreichen Anpassungen des deutschen Bauordnungsrechts machen in den kommenden Monaten Änderungen der LBOs erforderlich. Zudem wird es künftig eine Musterverwaltungsvorschrift „Technische Baubestimmungen“ (MVV TB) geben. Sie beschreibt, grob gesagt, die Anforderungen an Bauwerke, heruntergebrochen auf Bauprodukte. Daher sollten die weiteren Entwicklungen durch die Regelsetzer aufmerksam verfolgt werden. Das DIBt informiert regelmäßig auf seinen Internetseiten darüber. Das sollte zukünftig beachtet werden.