Sie spielen damit auf die Berichterstattung in den Medien an?
HERR RIGGERT: Auch. Während der Absatz von Wärmedämm-Verbundsystemen bis zum Jahr 2012 konstant auf zuletzt ca. 48 Mio. Quadratmeter anstieg, kam in den Jahren danach der große Einbruch. Allein dies zeigt doch, dass die Gründe niemals im System selbst liegen können. Was über 50 Jahre richtig war, kann nicht plötzlich völlig falsch sein. Wenn man aktuellen Zahlen glauben kann, lag der WDVS-Absatz im Jahr 2016 nur noch bei ca. 35 Mio. Quadratmeter, das bedeutet also einen Einbruch von 25 % des Gesamtmarktes – mit verheerenden Folgen vor allem für das Fachhandwerk. Bei üblichen Marktpreisen für Wärmedämm-Verbundsysteme reden wir von über 1 Mrd. Euro, die das Fachhandwerk an Aufträgen verloren hat – nicht zu vergessen: die verpassten Chancen für den Umweltschutz. Und dies müssen sich vor allem einige wenige Journalisten ankreiden lassen, die über WDVS einseitig und subjektiv berichtet haben. Das hat maßgeblich zur Verunsicherung in der Bevölkerung beigetragen.
Warum sollten Journalisten oder „die Medien“ das tun?
HERR JENSEN: Man muss das Ganze differenziert betrachten, dann erklärt sich auch, wie so eine Negativspirale entstehen kann. Hierzu muss man wissen, dass auch die Medien in einem enormen Konkurrenzkampf stecken. Die Einnahmen durch Werbung gehen seit Jahren zurück, die Auflagen im Printbereich bzw. die Einschaltquoten im Fernsehen sinken seit Jahren, sodass auch in den Redaktionen der Rotstift angesetzt wird. In der neuen, digitalen Welt sind viele Verlage und Sender noch nicht angekommen, sodass online verhältnismäßig nicht viel Geld verdient wird. Daher müssen auch die Medien Kosten einsparen und echter investigativer Journalismus verliert leider immer mehr gegenüber der bloßen Sensationshascherei. Denn je sensationeller eine Nachricht, je unglaublicher eine Story, desto höher die Aufmerksamkeit und desto größer der wirtschaftliche Erfolg. Gleichzeitig steigt der Druck auf andere Medien, noch einen draufzulegen und sich gegenseitig zu überbieten. Es geht also in erster Linie um eine aufmerksamkeitsstarke Story und weniger um Aufklärung. In der Diskussion um Journalismus wird oft vergessen, dass auch Verlage und Sender wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen sind und mitunter andere Interessen verfolgen als man im ersten Moment vermuten würde.
Ist es wirklich so einfach? Die Medien müssen doch objektiv und nicht einseitig berichten, oder?
HERR JENSEN: Sie sollten es. Aber gerade die Berichterstattung über WDVS zeigt doch, dass der Zuschauer oder Leser immer weniger differenziert und häufig nur noch in Kategorien wie Schwarz oder Weiß bzw. Richtig oder Falsch denkt. Wie sich das entwickeln und hochschaukeln kann, dafür ist die mediale Auseinandersetzung mit WDVS – beziehungsweise lediglich einem Dämmstoff davon – ein gutes Beispiel. Hier hat anfangs ein einziger Redakteur mit seinen TV-Beiträgen eine wahre Lawine losgetreten und im Endeffekt für eine ganze Branche Werte vernichtet.
Sie meinen offensichtlich den WDR-Redakteur Dieter Könnes mit seinem Format „Könnes kämpft“?
HERR JENSEN: Ja, auch. Ein seriöser Journalist sollte immer sorgfältig recherchieren, um am Ende einen objektiven Bericht zu bringen und nicht angreifbar zu sein. Aber wie bereits erwähnt, muss er eben auch darauf achten, dass sich seine Geschichte gut verkaufen lässt. In der Praxis bedeutet das: Der Journalist hat sich seine Geschichte wie ein Drehbuch längst zurechtgelegt und muss nun Experten finden, die er in seinem Beitrag zitieren kann. Dann ist er als Journalist fein raus und nicht angreifbar, denn die eigentlichen Aussagen – auch wenn sie falsch sind – kommen ja von Experten. Bei der Auswahl der Gesprächspartner ist der Redakteur natürlich frei und hat den nötigen Spielraum. Wenn ich als Journalist aufzeigen möchte, dass sich Wärmedämmung nicht lohnt, dann suche ich mir eben Dämmkritiker als Gesprächspartner fürs Interview und gebe ihrer Sichtweise Raum – obwohl es bestimmt genauso viele und genauso renommierte Experten gibt, die das Gegenteil behaupten und dies seriös belegen können. Aber genau das ist der Knackpunkt: Als Journalist habe ich ein Thema im Kopf und suche mir dann eben die Gesprächspartner heraus, die meine Thesen stützen.
Ist das nicht eine verzerrte Darstellung oder vielleicht sogar unlauter?
HERR JENSEN: Wie man es sehen will, es kommt immer auf die Betrachtung des Einzelnen an. Wenn der Journalist nur eine Seite zu Wort kommen lässt, ist dies ja nicht falsch. Und wenn er aus einem Zitat genau die Passagen weglässt, die der Aussage eine andere Richtung geben würden, ist das grundsätzlich auch nicht verboten. Ob dies die feine Art ist, darüber lässt sich sicherlich streiten. Das Problem ist nur, dass der Leser oder Zuschauer dies nicht beurteilen kann, da er ja die andere Seite nicht gehört hat.
Diese Art der Berichterstattung kennen wir doch eher von den privaten Sendern. Dass diese mit dem WDR nun auch in einer der öffentlichrechtlichen Anstalten vorkommt, ist doch eher ungewöhnlich, oder?
HERR JENSEN: In der Tat – und es zeigt uns, dass der wirtschaftliche Druck auch dort angekommen ist.
HERR RIGGERT: Das hat auch die Branche kalt erwischt, da man damit so nicht gerechnet hat. Wenn der WDR um ein Interview bittet und Aufnahmen über WDVS machen möchte, geht man nicht davon aus, dass die Branche in die Pfanne gehauen werden soll – bis zum besagten Beitrag.