Nr. 2/2017
Das online Kundenmagazin der Schwenk Putztechnik

BEHIND THE GLAMOUR |

Seit 1983 hat sich „Tilke Ingenieure und Architekten“ aus Aachen als weltweit führendes Unternehmen in der Planung von Rennstrecken und automobilen Testanlagen etabliert. Dabei ist die erfolgreiche Fertigstellung eines Projekts die oberste Prämisse. Ein Blick hinter die Kulissen.

LUFTAUFNAHME DES SOCHI AUTODROMS – eine Formel-1-Rennstrecke in der russischen Stadt Sotschi.

Jede Woche werden zahlreiche Artikel und Veröffentlichungen rund um den Motorsport publiziert – in der Regel stehen Formel-1-Strecken im Fokus. Aber auch kleinere oder private Strecken sowie Testzentren rücken in den Vordergrund. Meistens behandeln diese Artikel die Fertigstellung einer neuen Strecke, ein Großevent auf dem Gelände oder es wird das Austragungsland eines Rennens näher beleuchtet. 2016 wurde beispielsweise Baku (Aserbaidschan) zum ersten Mal in den Rennkalender aufgenommen und mit Spannung erwartet. Und nach einem grandiosen Debüt in Mexico City im Jahr 2015 waren natürlich alle gespannt, ob sich die ausgelassene Stimmung aus dem Vorjahr wiederholen würde.

DIE TILKE GMBH & CO. KG ist eines der erfahrensten Unternehmen in der Planung und Bauleitung von Großprojekten in der Automobilindustrie und im Motorsport. Vor mehr als 30 Jahren in Deutschland gegründet und mit Niederlassungen weltweit, ist die Firma als weltweit führender Designer von Rennstrecken in der Branche anerkannt. Daneben arbeiten Tilke-Ingenieure und -Architekten auch an Ingenieurleistungen, Masterplanung, privaten und öffentlichen Infrastrukturen und Gebäuden im Gesundheitswesen (v.l.n.r. Peter Wahl, Dr. Carsten Tilke, Hermann Tilke).

DOCH WIE ENTSTEHEN EIGENTLICH DIE RENNSTRECKEN FÜR DEN SCHNELLSTEN UND TEUERSTEN SPORT IN SO KURZER ZEIT?

Als erfahrener Rennstreckenplaner kann das Planungsbüro Tilke einen sehr genauen Einblick in die Entwicklung solcher Projekte geben und über die enormen Anstrengungen berichten, die für die pünktliche Fertigstellung dieser Großevents nötig sind. Der Projektablauf stellt immer – unabhängig von Land und Projekt – eine Herausforderung dar. Projekte dieser Größenordnung werden für gewöhnlich mit einer Planungs- und Bauzeit von vier bis fünf Jahren angesetzt. In der Motorsportindustrie ist diese Zeit allerdings auf zwei bis drei Jahre begrenzt, denn mit Vertragsabschluss zwischen Formel 1 und ihren Kunden steht auch der Termin im Rennkalender grob fest. Das Projekt in der vorgegebenen Zeit nicht zu vollenden, ist keine Option: Neben dem enormen Imageschaden für alle Beteiligten stünden auch erhebliche Regressansprüche für gebuchte und nicht genutzte Fernsehübertragungen, Satellitenzeiten, Werberechte, Hotelbuchungen und viele andere Leistungen im Raum. Alle Planungsbeteiligten arbeiten also unter Hochdruck daran, das Projekt pünktlich und für alle zufriedenstellend fertig zu stellen. Dabei sind das Zusammenspiel der verschiedenen Gewerke und vor allem die Kommunikation zwischen diesen der Schlüssel zum Erfolg. Zu dem umfassenden Team gehören auf der einen Seite Architekten, Strecken- und Elektroplaner – allesamt hausinterne Fachdisziplinen bei Tilke –, auf der anderen Seite wird die Gruppe durch zentrale Fachplaner für Statik, Baugrund und Asphalttechnologie ergänzt.

Neben der Rennstrecke als Herzstück gehören weitere Bauten wie das Boxengebäude, das Medien- und Pressezentrum sowie das Medical Center, eine Art provisorisches Krankenhaus, zum Gesamtpaket. Die genannten Bauwerke sind ihren Anforderungen entsprechend zu klimatisieren und/oder zu beheizen. Sie benötigen Wasser- und Abwassernetze und natürlich enorme Mengen an Strom für die allgemeine Energieversorgung.

WEGEN MÖGLICHER REGRESSANSPRÜCHE SIND VERZÖGERUNGEN KEINE OPTION.

START FREI! Ist die Rennstrecke erst mal fertig, darf gefeiert werden.

Aber auch die spezifische Rennelektronik sowie die umfangreiche Medien- und Kommunikationstechnik müssen berücksichtigt werden. Das Team entwirft für das vorgegebene Grundstück das geeignete Konzept und entwickelt daraus einen Masterplan. Moderne Strecken mit ihrer Begleitinfrastruktur, inklusive der umgebenden Parkplatz- und Verkehrsflächen, benötigen je nach Grundstückszuschnitt und Topografie zwischen 140 und 200 ha Grundfläche. Die Herausforderung dabei: Bei der erforderlichen Größe erhält man in der Regel nie die Premiumgrundstücke, da diese bereits im Erwerb zu teuer wären, sondern hat es oft mit schwierigsten Baugrundverhältnissen zu tun. Sumpfige und nicht tragfähige Baugründe erfordern teilweise aufwendige Bodenverbesserungs- und spezielle Gründungsmaßnahmen. So wurde beispielsweise die gesamte Rennstrecke in Shanghai mit Styropor unterlegt, da das Bauland einem Sumpf glich.

DIREKT ÜBER DER BOXENGASSE BEFINDEN SICH DIE VIP-LOGEN.

Nach der Entwicklung des Masterplans geht es in die vertiefende Detail-Planung, angefangen bei den Ausschreibungen für die vielen Gewerke über die Bauleitung vor Ort bis hin zur Inbetriebnahme und technischen Eventbetreuung. Allerdings spielen Verordnungen und Bürokratie oft gegen das Team und die Zeit. Die erforderlichen Bauten passen beispielsweise selten in die bekannten Gebäudeklassifizierungen. So kommt etwa ein Boxengebäude in der regulären Baugesetzgebung nicht vor. Als Folge wird das Erdgeschoss mitsamt Boxen üblicherweise als Werkstatt mit entsprechenden Brandlasten und resultierenden Brandschutzanforderungen kategorisiert. In den Boxen befinden sich schließlich ganze Computerzentralen und Rennautos sowie Reifen, Zubehörteile und Öl – also Equipment mit sehr hohen brandschutztechnischen Anforderungen.

Direkt darüber finden etwa 5.000 VIPs auf ein bis zwei Etagen, im sogenannten „Paddock Club“ Platz, zuzüglich Service-Personal und Sicherheitskräfte. Dazwischen gibt es weitere Räumlichkeiten für das Catering. Der gesamte Bereich wird in den Verordnungen als Versammlungsstätte eingeordnet – in der Summe handelt es sich also um zwei Kategorien, die aus Sicht des Brandschutzes extrem schwer unter einen Hut zu bekommen sind. Deshalb muss der Genehmigungsprozess in vielen Ländern zu einem bestimmten Zeitpunkt vom weiteren Bau- und Planungsprozess entkoppelt werden, um eine pünktliche Inbetriebnahme nicht zu gefährden.

Die Voraussetzungen für das Team sind damit klar definiert: Neben Parametern wie Teamwork, Enthusiasmus und Kompromissbereitschaft braucht es Technologie, Flexibilität, multikulturelles Verständnis und ein strapazierfähiges Nervenkostüm. Nur mit einem eingespielten Team können Projekte dieser Größenordnung in der vorgegebenen Zeit entwickelt und realisiert werden.

Rückblickend auf mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bereich der Planung und des Baus von Rennstrecken und automobilen Testanlagen ist für das Planungsbüro Tilke jedes Bauvorhaben einzigartig und – während seiner Entwicklung – unberechenbar. Und doch wurden alle Projekte „just in time“ fertiggestellt und avancierten zu neuen Highlights im Rennkalender. Es hat also seine Gründe, dass die Hälfte der insgesamt 20 Strecken des aktuellen Formel-1-Rennkalenders von Tilke geplant und gebaut wurden.

IN SHANGHAI musste die gesamte Rennstrecke mit Spezial-Styropor unterlegt werden, da das Bauland einem Sumpf glich.

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