Nr. 3/2017
Das online Kundenmagazin der Schwenk Putztechnik

HOCH HINAUS MIT DEM BAUSTOFF HOLZ |

Das „H7“ ist das zurzeit höchste „Holz-Hybrid-Gebäude“ in Norddeutschland, bei dem auf die Kapselung der Holzkonstruktion verzichtet werden konnte. Das siebengeschossige Bürogebäude mit einer Mietfläche von ca. 4.600 m2 und einer durchgehenden, halb eingelassenen Tiefgarage wurde Ende 2016 in Betrieb genommen.

VON ANDREAS HEUPEL

NACHHALTIGES BAUEN IST KEIN NACHTEIL. IM GEGENTEIL, ES ERHÖHT SOGAR DIE ARBEITSQUALITÄT DER MENSCHEN VOR ORT.

GEBÄUDE UND UMFELD ERGEBEN ZUSAMMEN EINE EINHEIT

Die städtebauliche Situation des Grundstücks am Stadthafen von Münster ist gekennzeichnet durch ein heterogenes Umfeld von Brachflächen, alten Lagerhallen, neuen Solitären und dem erkennbaren Strukturwandel des nicht mehr gewerblich betriebenen Hafens.

Zusammen mit dem Nachbargebäude formt der Neubau einen gemeinsamen Platz, über den die Haupteingänge erreicht werden können. Das schmale, in Nord-Süd-Richtung orientierte Grundstück prägt dabei den Baukörper nicht nur in seiner Grundriss-, sondern im Besonderen auch in seiner Höhenentwicklung. Verbreiterungen und Einschnitte folgen den Maßgaben für die einzuhaltenden Abstandsflächen, geben dem Volumen so sein differenziertes Erscheinungsbild und bieten den Mietern gleichzeitig auf jeder Etage eine eigene Terrasse.

Die städtebauliche Figur des Gebäudes wird ergänzt durch ein „eingerahmtes“ Parkdeck, das ebenso aufwendig und selbstverständlich in das Gebäudevolumen integriert wurde wie die technischen Anlagen in den beiden obersten Obergeschossen.

KUNDENWUNSCH UND HERZENSANGELEGENHEIT: NACHHALTIGES BAUEN TUT UNS ALLEN GUT

Um dem hohen ökologischen Anspruch des Hauptinvestors und Ankermieters, der Verwaltung einer regionalen Bio-Einzelhandelskette mit Sitz in Münster, gerecht zu werden, wurde schon in einem ersten Workshop mit dem Bauherrn der Rohstoff „Holz“ als primärer Baustoff festgelegt.

Ziel war es, die Qualitäten von Holz als konstruktivem Baustoff einem größeren Publikum vor Augen zu führen. Gleichzeitig sollte der Neubau durch seine sieben Geschosse neue Anwendungsbereiche für den Holzbau eröffnen. Daher auch der Name „H7“: sieben Geschosse in Holzbauweise.

Aber auch im Nutzungskonzept spiegelt sich die Durchgängigkeit der Themen „Nachhaltigkeit“ und „Ökologie“ wider. So befinden sich zum Beispiel im Erdgeschoss eine von allen Mietern nutzbare Seminarzone, ein Bistro sowie Duschen und Umkleiden für Radfahrer. Mehrfachnutzung von Flächen, der Umstieg aufs Rad sowie Austritte in allen Etagen sind nur drei von vielen diskutierten und größtenteils realisierten Ideen.

ANGENEHME HOLZ-ATMOSPHÄRE UND BERUHIGENDE SICHERHEIT

Die Grundrissstruktur wurde im Sinne einer zeitlosen, für viele erdenkliche Büronutzungen geeigneten Fläche entwickelt. Potenzielle Mieter sollten alle Varianten zwischen schlichter Zellenstruktur und Großraumbüro umsetzen können. Daher wurden die Versorgungsräume in einer schmalen Mittelzone zentral angeordnet, deren Verlängerung geeignet ist, Besprechungsräume aufzunehmen. Eine zweireihige Stahlbetonmittelachse bildet hierbei das zentrale Rückgrat des Gebäudes. Seitlich daran angegliedert befinden sich die eigentlichen Nutzflächen, die von ihrer Breite her für die beschriebenen Varianten angelegt sind. Betreten wird das Haus in der Mitte der westlichen Längsfassade. Eine zweigeschossige Lobby verbindet den Eingangsbereich des Ankermieters „SuperBioMarkt“, mit der Seminarzone und den Mietflächen.

NACHHALTIGKEIT IST PROGRAMM: 262 Tonnen CO2 konnten durch die Verwendung von Holz als nachwachsendem Rohstoff eingespart werden.

Die Besonderheit der Konstruktion ist das Zusammenspiel zwischen der Ausnutzung der statischen Qualitäten von Holz auf der einen Seite und seiner klaren Berechenbarkeit im Brandfall auf der anderen Seite. Durch die Vergrößerung der statischen Querschnitte der Hölzer um das Maß ihrer Abbrandrate von 6,3 cm pro 90 Minuten konnte auf die sonst übliche Kapselung der Holzbauteile verzichtet werden. Dadurch wurde es erst möglich, auch die „soziale“ Komponente von Holz mit seinem wärmenden Ausdruck zu erhalten und gleichzeitig die Konstruktion lesbar zu machen.

Die Holz-Hybrid-Konstruktion ist eine Weiterentwicklung der Forschungsergebnisse des involvierten Tragwerkplaners Arup GmbH über den 20-geschossigen LifeCycle Tower in Österreich. Aus diesem Forschungsvorhaben entstand im Jahr 2012 der LifeCycle Tower One in Dornbirn, ein achtgeschossiger Holz- Hybrid, der als Pionierwerk des Architekten Hermann Kaufmann angesehen wird. Angelehnt an dessen Konstruktion konnte mit der Bauaufsicht und dem vorbeugenden Brandschutz ein Konzept erarbeitet werden, das die Erfahrungen des modernen Holzbaus mit bewährten Brandschutzmaßnahmen vereint. Eine zentrale Kompensationsmaßnahme war die Ausführung des Treppenhauses als Sicherheitstreppenhaus. Die sichere Entfluchtung des Gebäudes im Brandfall durch ein garantiert rauchfreies Treppenhaus ist der Kern des Brandschutzkonzeptes. Ergänzend wurde eine Brandmeldeanlage eingebaut. Auf eine Sprinkleranlage konnte hingegen verzichtet werden.

EINE BESONDERHEIT liegt in der sichtbaren Verwendung für die tragenden Außenwände und die Holz-Hybrid-Decken. Die Wand- und Deckenelemente sind vorgefertigt worden und oberflächenfertig montiert. Durch die sichtbare Holzoberfläche entsteht im Inneren eine beinahe wohnlich anmutende Atmosphäre.

ÜBERDIMENSIONAL, VORGEFERTIGT UND EINSATZBEREIT

Die weitreichenden Möglichkeiten der Vorfertigung im Holzbau waren ein weiterer Aspekt des Entwurfsprozesses. So wurden die großformatigen, 8,10 m langen Wandelemente innenseitig oberflächenfertig und mit bereits eingebauten Fenstern angeliefert. Auch die 2,70 m breiten Holz-Beton-Verbunddeckenelemente wurden in einer nur 1 km entfernten Halle vorgefertigt, um danach „just in time“ zur Baustelle gebracht zu werden.

Die raumprägenden Außenwände sind als tragende Massivholzkonstruktion ausgeführt. Zwischen Außenwand und Mittelachse wurden die vorgefertigten Deckenelemente eingehängt. Mittels spezieller Schrauben sind dabei Brettschichtholz-Balken mit den 12 cm starken Stahlbetondeckenplatten verbunden. Die Decke wurde mit einem Ringbalken aus Ortbeton bis an die Vorderkante der Holzaußenwände geführt, um die Geschosse im Sinne des Brandschutzes konsequent voneinander zu trennen.

HOLZ UND BETON IN EINER ÄSTHETISCHEN SYMBIOSE

Ein wichtiger Aspekt des Materialkonzeptes ist die Tatsache, dass neben der Holzkonstruktion, die in Gänze aus Fichtenholz besteht, auch die Betonelemente sichtbar gelassen wurden. Diese „Ehrlichkeit“ der Konstruktion war ein wichtiges Argument in der Diskussion mit dem Bauherrn bezüglich des inneren Erscheinungsbildes. Durch den Einsatz von Holz konnten im Vergleich zu einem herkömmlichen Stahlbetonbau etwa 262 Tonnen CO2 eingespart werden.

Ein übliches Problem von Holz- und Holz-Hybrid-Decken ist der mangelnde Schallschutz zwischen den Etagen aufgrund der geringen Masse der dünnen Stahlbetondecken. Um nicht unnötige Lasten durch Einbringung künstlicher Masse, wie zum Beispiel große Estrichstärken oder schwere Schüttungen, zu erzeugen, wurde für alle Obergeschosse Teppichboden mit einem Schallschutzwert von 35 dB festgelegt. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Entscheidung ist die vortreffliche Raumakustik.

FASSADENMATERIAL TERRAKOTTA ALS VERBINDENDES ELEMENT

Charakteristisch für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes ist die eigens für das Projekt entwickelte Terrakottaverkleidung aus unterschiedlich reliefierten Platten. Als grünes Kleid legt sie sich mit einer Stärke von nur 3,5 cm in drei verschiedenen Farbtönen über die Längsfassaden. Terrakotta als Fassadenmaterial war die logische Verkleidung des Holz-Hybrid-Baukörpers. „Gebrannte Erde“ ist ein natürliches, mineralisches und seit Jahrtausenden genutztes Material mit einer hohen Widerstandsfähigkeit, das sich komplett recyceln lässt.

Die Terrakottaplatten wurden, dem Achsraster des Hauses entsprechend, in Breiten von 1,35 m und in Höhen v on 0,40 m und 0,50 m gefertigt. Für das Projekt wurden spezielle Mundstücke entworfen, die so Reliefs mit variierenden Fugen ermöglichten. Die Linien, in Abständen zwischen 25 mm und 100 mm, überspielen die horizontalen Plattenstöße und geben der Fassade eine filigrane Note. Aufgehängt sind die Platten mit einer thermisch getrennten Metallkonstruktion und die Dämmung erfolgt über eine nicht brennbare, 180 mm starke Steinwolldämmung.

Um die Fassade zusätzlich zu nuancieren, wurden drei Grüntöne auf Basis der Farbe Moosgrün entwickelt. Dabei bilden je ein Brüstungsfeld und ein Fensterpfeiler ein definiertes Farbfeld. Mittels Fehlfarbplänen wurde eine optisch möglichst zufällige Streuung der drei Farben sichergestellt.

Die Fenster sind in Holz-Aluminium-Bauweise ausgeführt. Für die äußere Deckschale wurde ein zum Grün der Terrakotta passender champagnerfarbener Braunton gewählt. Die Stirnseiten sind komplett verglast, um die innere Konstruktion auch von außen sichtbar zu machen. Das System mit Stütze, Wand und Decke ist klar lesbar. In den Abendstunden, wenn im Inneren das Licht angeht, wird das Material Holz ebenfalls nach außen erkennbar.

Auch das technische Konzept wurde stark von den Zielen der Nachhaltigkeit beeinflusst. Unter anderem wird die Fernwärme des angrenzenden Kraftwerks als Heiz- und Kühlenergie genutzt. Die Nutzung von Heiz-Kühl-Segeln ermöglicht dabei eine freie Raumgestaltung. Ein weiterer Vorteil der Deckensegel ist ihre mögliche Aktivierung als Schallabsorptionsfläche, die besonders in den Bürobereichen mit Großraumnutzung zur Erreichung der notwendigen Nachhallzeiten eine ideale Ergänzung darstellt.

NACHHALTIGKEIT BESTIMMT UNSER HANDELN

DAS THEMA NATÜRLICHKEIT BESTIMMTE DIE GESAMTE PLANUNG

Verzichtet wurde auf eine komplette Be- und Entlüftung des Hauses. In der Diskussion dieser Thematik standen dem großen Vorteil der Wärmerückgewinnung durch eine Lüftungsanlage zwei am Ende ausschlaggebende Nachteile gegenüber. Erstens ist die Anlagentechnik kostenintensiv und zweitens wird bei der Beurteilung der Energiebilanz die bei der Produktion der Anlage auf gewandte Energie nicht berücksichtigt und auch nicht in Relation zum möglichen Energiegewinn während der Nutzung gesetzt. Darüber hinaus widerspricht die künstliche Belüftung dem natürlichen Verhalten des Nutzers, der individuell das Fenster öffnen möchte – und sei es nur, um einmal „frische Luft zu atmen“.

DIE FASSADENHAUT aus grün glasierten Terrakottatafeln ist eigens für das H7 entwickelt worden. Drei unterschiedliche Formstücke und leicht abweichende Farbtöne erzeugen ein changierendes Farbspiel, das je nach Lichtverhältnissen unterschiedlichste Stimmungen erzeugt.

Konsequent umgesetzt wurde eine nachhaltige Lichttechnik, die ausschließlich auf LED Leuchtmitteln beruht. Ergänzt wird diese durch Tageslichtsteuerung und Präsenzmelder. Um eine optimale Flexibilität gewährleisten zu können, wurde in den Büroflächen auf Deckenleuchten zu Gunsten von Stehleuchten verzichtet. Eine Photovoltaikanlage komplettiert die Idee eines „grünen“ Hauses. Das H7 wurde mit einer Anerkennung beim „Deutschen Holzbaupreis 2017“ ausgezeichnet und erhielt eine Goldprämierung beim „best-architects 18 Award“.

Andreas Heupel studierte Architektur in Münster und Blacksburg, Virginia. Das Büro Andreas Heupel Architekten gründete er 2001. Er ist Mitglied in der Bundesstiftung Baukultur und seit 2015 Vorstand im BDA Münster-Münsterland. Zudem ist er Dozent an der Universität Dortmund.

VorwortBauphysik 2.0