Nr. 3/2017
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DIE REFORM DES BAUVERTRAGSRECHTS |

Eine Übersicht über die Grundlagen.

VON KATHRIN LÜHRS

Am 1.1.2018 tritt das neue Bauvertragsrecht in Kraft, mit dem der Gesetzgeber dem bestehenden Bedarf an gesetzlicher Normierung immer wieder auftretender Fragestellungen im Baurecht nachkommt. Neben Änderungen der allgemeinen werkvertraglichen Regelungen wurden spezielle Regelungen für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag, den Architekten- und Ingenieurvertrag sowie den Bauträgervertrag aufgenommen. Diese Regelungen lösen alte Probleme, bergen neues Konfliktpotenzial und werden alle in der Baubranche Tätigen einige Zeit beschäftigen.

1. ALLGEMEINES WERKVERTRAGSRECHT

In den §§ 631–650 BGB1 finden sich künftig die allgemein für Werkverträge geltenden Vorschriften. Bereits hier wurden einige Änderungen vorgenommen.

ABSCHLAGSZAHLUNGEN, § 632 A BGB

Nach dem bisher gelt enden BGB konnte der Auftragnehmer nur in der Höhe Abschlagszahlungen verlangen, in der beim Besteller ein Wertzuwachs entstanden ist. Diese Abschlagszahlung konnte bei Vorliegen von wesentlichen Mängeln in voller Höhe verweigert werden – unabhängig von der Höhe der tatsächlich zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten. Sowohl der Nachweis des Wertzuwachses als auch die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln war in der Praxis oft schwierig.

Nunmehr hat der Auftragnehmer nach § 632a BGB das Recht, Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und geschuldeten Leistung zu verlangen. Maßstab für die Höhe der Abschlagszahlungen ist nach neuem Recht nicht mehr ein abstrakter und kaum zu greifender Wertzuwachs beim Besteller, sondern das angenommene Angebot des Auftragnehmers. Auch ist der Besteller bei Mängeln lediglich noch berechtigt, einen „angemessenen Teil“, d. h. im Regelfall das Doppelte der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten, einzubehalten.

ABNAHME, § 640 BGB

Nach der bisherigen Regelung wurde eine Abnahme fingiert, wenn das Gewerk abnahmereif war und keine wesentlichen Mängel aufwies. Auch hier hat die Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Mängeln oftmals Probleme bereitet.

Nach neuem Recht ist eine Abnahmefiktion bereits nach Fertigstellung des Werkes möglich. Der Auftragnehmer muss dazu nach Fertigstellung, d. h. Abarbeitung der vertraglich vereinbarten Leistungen, eine angemessene Frist zur Abnahme setzen. Bei Verträgen mit Verbrauchern muss diese Fristsetzung zusätzlich verbunden werden mit dem Hinweis auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme, § 640 II 2 BGB. Reagiert der Besteller hierauf nicht, so gilt das Gewerk als abgenommen.

Problematisch ist jedoch, dass der Eintritt dieser Fiktion von dem Besteller nach dem Wortlaut des Gesetzes verhindert werden kann, wenn er einen Mangel rügt. Auf die Wesentlichkeit dieses Mangels kommt es nicht mehr an. Durch diese Regelung wird Missbrauch Tür und Tor geöffnet. So lässt sich irgendein Mangel stets benennen, auch wenn er sich später als unberechtigt herausstellt. Hier bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung diese Problematik in den nächsten Jahren handhaben wird.2

DAS NEUE RECHT WIRFT VOLLSTÄNDIG NEUE FRAGEN AUF, INSBESONDERE IM BEREICH DES „ANORDNUNGSRECHTS DES BESTELLERS“

KÜNDIGUNG AUS WICHTIGEM GRUND, § 648A BGB

Unverändert bleibt die Möglichkeit beider Vertragsparteien, den Werkvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, nachdem zuvor im Regelfall eine Frist zur Abhilfe gesetzt wurde. Von einer Aufnahme der einzelnen Kündigungstatbestände des § 8 VOB/B wurde ausdrücklich abgesehen.3 Insbesondere wurde bewusst nicht geregelt, ob die Insolvenz des Auftragnehmers eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigt. Hierdurch soll die „Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse“ 4 berücksichtigt werden können. Es ist daher immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Schnelle Entscheidungen für den Fall der Insolvenz werden mithin nicht ermöglicht.

Möglich ist auch eine Teilkündigung. Der Gesetzgeber hat sich hierbei nicht an dem Wortlaut des § 8 III Nr. 1 VOB/B orientiert, der eine solche nur bei einem „in sich abgeschlossenen Teil der Leistung“ ermöglicht. Nach dem Wortlaut des § 648a II BGB muss sich die Teilkündigung vielmehr auf einen „abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks“ beziehen. Der Gesetzgeber hält die Anforderungen der VOB/B insoweit für eine „unnötig hohe Hürde“.5 Nach dieser Formulierung dürften somit sämtliche durch Aufmaß festzustellenden Leistungen teilkündbar sein, da bereits ein Aufmaß eine Abgrenzung ermöglicht.6

Nach einer Kündigung aus wichtigem Grund steht nach § 648a IV BGB jeder Vertragspartei das Recht zu, eine gemeinsame Leistungsfeststellung zu verlangen. Diese gemeinsame Leistungsfeststellung stellt keine Abnahme dar und soll lediglich quantitativ die erbrachten Leistungen festhalten.

Dem Auftragnehmer steht bei einer Kündigung aus wichtigem Grund künftig nur noch die Vergütung für den erbrachten Teil der Leistung zu. Darüber hinaus kann er ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen.

2. BAUVERTRAG

Für den Bauvertrag gelten zunächst die vorstehenden allgemeinen Regelungen sowie die speziellen Regelungen der §§ 650a–h BGB.

Nach § 650a BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.

Nach der Begründung des Gesetzgebers sollen nur Verträge umfasst sein, die auf eine „längerfristige Zusammenarbeit“7 angelegt sind. Warum die Instandhaltung einer Außenanlage nach dem Wortlaut des Gesetzes kein Bauvertrag sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

ANORDNUNGSRECHT DES BESTELLERS, § 650B BGB

Im Mittelpunkt der Reform steht das gesetzlich geregelte Anordnungsrecht des Bestellers. Verlangt der Besteller eine Änderung des Vertrages, so sind die Parteien künftig verpflichtet, eine Einigung nicht nur über die abweichende Ausführung, sondern auch über die Mehr- oder Mindervergütung zu suchen. Der Auftragnehmer ist zunächst verpflichtet, ein Angebot über die zu erwartende Mehr- oder Mindervergütung vorzulegen. Ist eine solche Einigung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Auftragnehmer getroffen, kann der Besteller die Änderung einseitig in Textform anordnen.

Dieses Anordnungsrecht betrifft nicht nur notwendige Änderungen infolge fehler- oder lückenhafter Leistungsbeschreibungen, sondern auch vollständige Leistungsänderungen. Bei vollständigen Leistungsänderungen besteht das Recht des Bestellers jedoch nur, wenn dem Auftragnehmer die abweichende Ausführung zumutbar ist. Offen ist, welche Folgen es haben wird, wenn der Auftragnehmer entgegen der gesetzlichen Verpflichtung kein Angebot vorlegt, sowie ob die 30 Tage vor einer einseitigen Anordnung abgewartet werden müssen, wenn bereits zuvor erkennbar wird, dass eine Einigung nicht erzielt werden kann.

1 Nachstehend werden die ab 1. 1. 2018 geltenden Vorschriften zitiert.
2 Leinemann, NJW 2017, 3113 ff.
3 BT-Drucks. 18/8486 vom 18. 5. 2016, S. 50.
4 BT-Drucks. 18/8486 vom 18. 5. 2016, S. 50.
5 BT-Drucks. 18/8486 vom 18. 5. 2016, S. 51.
6 Leinemann, NJW 2017, 3113, 3114.
7 BT-Drucks. 18/8486 vom 18. 5. 2016, S. 53.

VERGÜTUNGSANPASSUNG BEI ANORDNUNGEN, § 6 50C BGB

Anders als die VOB/B stellt das BGB bei der Vergütungsanpassung nach einseitigen Anordnungen des Bestellers künftig nicht auf die Urkalkulation des Auftragnehmers ab. Maßgeblich sind nach dem BGB künftig die „tatsächlich erforderlichen Kosten“ zzgl. angemessener Zuschläge wie allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn.

Zwar enthält das Gesetz die Vermutung, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebenen Preise den tatsächlich erforderlichen Kosten entsprechen, diese Vermutung kann jedoch von den Vertragsparteien widerlegt werden.

Kommt es zu keiner Einigung trotz Angebotserstellung über die Mehrkosten, so kann der Auftragnehmer 80 % der in dem Angebot genannten Mehrvergütung nach Leistungserbringung und vor Abnahme der Gesamtleistung als Abschlagszahlung verlangen, wenn vertraglich Abschlagszahlungen vereinbart worden sind. Über diesen Abschlag ist nach Abnahme abzurechnen. Sollte eine Überzahlung vorliegen, sind zurückzugewährende Beträge zu verzinsen.

Zwar sichert diese Regelung den Auftragnehmer vor Liquiditätsengpässen aufgrund der abweichenden Leistungserbringung ab, sie birgt jedoch für den Besteller das erhebliche Risiko, überhöhten Nachtragsforderungen ausgesetzt zu sein.

DIE VERTRAGSPARTEIEN HABEN KÜNFTIG LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR KONFLIKTE IM RAHMEN DES BAUABLAUFS

AUFTRAGNEHMER haben bei Kündigung oder Verweigerung der Abnahme künftig das Recht, eine gemeinsame Feststellung des Zustandes ihres Gewerkes zu verlangen.

EINSTWEILIGE VERFÜGUNG, § 650D BGB

Den Parteien steht bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht (beispielsweise zur Unzumutbarkeit der abweichenden Ausführung) oder die daraus resultierende Vergütung die Möglichkeit zu, den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht zu beantragen.

ZUSTANDSFESTSTELLUNG BEI VERWEIGERUNG DER ABNAHME, § 650G BGB

Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, so sieht § 650g BGB das Recht des Auftragnehmers vor, eine gemeinsame Feststellung des Zustandes seines Gewerkes zu verlangen. Wurden bei der Zustandsfeststellung offenkundige Mängel nicht aufgenommen und wurde das Werk dem Besteller verschafft, greift künftig die gesetzliche Vermutung, dass diese Mängel erst später entstanden und somit vom Besteller zu vertreten sind. Diese Vermutung kann widerlegt werden. Nimmt der Besteller an einem Termin zur gemeinsamen Zustandsfeststellung schuldhaft nicht teil, kann der Auftragnehmer diese allein durchführen. Dem Besteller ist eine Abschrift des Protokolls der Zustandsfeststellung zur Verfügung zu stellen.

SCHRIFTFORM DER KÜNDIGUNG , § 650H BGB

Die Kündigung eines Bauvertrages bedarf künftig der Schriftform.

3. VERBRAUCHERBAUVERTRAG

Für den Verbraucherbauvertrag gelten zunächst die allgemeinen Regelungen zum Werkvertrag, die Regelungen zum Bauvertrag sowie die speziellen Regelungen der §§ 650i–650n BGB. Nach § 650i BGB sind Verbraucherbauverträge Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Somit finden diese Regelungen künftig nur bei Errichtung eines Neubaus oder der Sanierung eines Gebäudes durch einen Generalunternehmer Anwendung, nicht jedoch bei der gewerkeweisen Vergabe an Handwerksfirmen durch den Verbraucher selbst.

Die wichtigsten Änderungen des Gesetzes sind beim Verbraucherbauvertrag die Erforderlichkeit einer Baubeschreibung (§ 650j BGB) sowie die gesetzlichen Vorgaben zum Vertragsinhalt (§ 650k BGB). Es muss künftig beispielsweise ein Fertigstellungstermin, zumindest aber die Ausführungsdauer in den Vertrag aufgenommen werden. Darüber hinaus steht dem Verbraucher bei nicht notariell beurkundeten Verträgen künftig ein Widerrufsrecht zu (§ 650l BGB). Die Widerrufsfrist beginnt erst nach ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung, wobei sich die erforderlichen Mindestangaben der Belehrung aus Art. 249 § 3 EGBGB ergeben. Zudem kann der Auftragnehmer bei einem Verbraucherbauvertrag künftig Abschlagszahlungen i. H. v. max. 90 % der Gesamtvergütung verlangen und muss bei der ersten Abschlagszahlung eine Vertragserfüllungsbürgschaft i. H. v. 5 % vorlegen (§ 650m BGB).

4. ARCHITEKTEN- UND INGENIEURVERTRAG

Nach der Gesetzesbegründung sollen die Regelungen des Werkvertragsrechts nicht uneingeschränkt auf Architekten- und Ingenieurverträge Anwendung finden, um den Besonderheiten dieses Vertragstyps Rechnung zu tragen.8 Für diesen Vertragstyp gelten künftig die §§ 631–650 BGB, die §§ 650b, 650e und 650h BGB sowie die §§ 650p–650t BGB.

Hinsichtlich des Anordnungsrechts des Bestellers wird jedoch klargestellt, dass für die Vergütungsanpassung vorrangig die HOAI Anwendung finden soll (vgl. § 650q II BGB).

§ 650p II BGB sieht eine erste Leistungsphase zur Definition der Planungsziele vor, wobei klargestellt wird, dass bereits für diese Leistungen eine Vergütung geschuldet wird. Die Problematik der Abgrenzung der reinen Akquisetätigkeit zur entgeltlichen Vertragsleistung wird dennoch nicht gesetzlich gelöst. Künftig wird sich die Frage stellen, wann die reine Akquise endet und die Definition der Planungsziele beginnt.9

Eine wesentliche Änderung findet sich in § 650s BGB, wonach der Architekt künftig berechtigt ist, von seinem Besteller nach Erbringung der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers eine Teilabnahme zu verlangen. Mit dieser Regelung wird dem Architekten die Möglichkeit gegeben, für den wesentlichen Teil seiner Leistungen (Leistungsphasen 1–8) einen Gleichlauf der Gewährleistungsfristen mit denen der bauausführenden Unternehmer zu bewirken.

FÜR ARCHITEKTEN- UND INGENIEURVERTRÄGE werden die Regelungen des Werkvertragsrechts keine uneingeschränkte Anwendung finden.

WANN BEGINNT DIE DEFINITION DER PLANUNGSZIELE?

Außerdem sieht § 650t BGB vor, dass die Inanspruchnahme des Architekten erst zulässig ist, wenn der Besteller dem bauausführenden Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

5. BAUTRÄGERVERTRAG

Auch der Bauträgervertrag wird durch die Reform in den §§ 650u–650v BGB erstmals gesetzlich normiert. Diese Regelungen sind jedoch sehr fragmentarisch und ohne große Neuerungen.

6. EXKURS: KAUFRECHT

Nach § 439 III BGB steht dem Käufer einer mangelhaften Sache, die dieser bestimmungsgemäß eingebaut bzw. angebracht hat, künftig gegenüber dem Verkäufer – unabhängig von seiner Verbrauchereigenschaft – auch ein Anspruch auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten zu.

7. FAZIT

Das neue Bauvertragsrecht bietet den Vertragsparteien künftig durchaus Lösungsmöglichkeiten für Konflikte im Rahmen des Bauablaufs. Es wirft jedoch auch vollständig neue Fragen auf, insbesondere im Bereich des „Anordnungsrechts des Bestellers“ dürften künftig weiter Konflikte zu erwarten sein.

 

8 BT-Drucks. 18/8486, S. 66.
9 Vgl. Ehrl, DStR 2017, 2395. 2399

Kathrin Lührs hat an der Universität Osnabrück Rechtswissenschaft studiert und ist seit 2011 als Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Hörnschemeyer Rechtsanwälte | Notare tätig. Seit 2015 ist sie Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, worin auch der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt.

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