Nr. 3/2016
Das online Kundenmagazin der Schwenk Putztechnik

BEZAHLBARER WOHNRAUM DANK MAUERWERK |

Es darf wieder gebaut werden. Energetisch sinnvoll und nach Eurocode 6. Welche weiteren Baubestimmungen sind zu beachten und warum ist Mauerwerk nicht nur günstig, sondern auch gleichzeitig gut für die Umwelt?

VON DR. RONALD RAST

Spätestens seit dem Jahr 2015 wird auch offiziell durch die Bundesregierung eingeschätzt, dass in Deutschland in den letzten Jahren zu wenige Wohnungen gebaut wurden. Insbesondere bezahlbarer Wohnraum für mittlere Einkommensgruppen und deutlich mehr sozialer Wohnungsbau für untere Einkommensgruppen wird benötigt.

Gegenüber der durchschnittlichen Wohnungsbautätigkeit in den Jahren 2014 und 2015 mit rund 250.000 fertig gestellten Wohnungseinheiten muss die Wohnungsbautätigeit um mindestens 40 Prozent gesteigert werden, um bedarfsgerecht zu sein. Gegenüber den Baujahren 2014/2015 brauchen wir jährlich bis zu 140.000 fertiggestellte Wohnungseinheiten mehr – insbesondere im kostengünstigen Bereich. Dieser gesellschaftliche Bedarf fällt zusammen mit erneut verschärften energetischen und veränderten konstruktiv-normativen Anforderungen an die Gebäude. Wie ist das lösbar?

Obwohl die Bundesregierung aus mehreren Studien ableiten konnte, dass die gesetzliche Einführung der Energieeinsparverordnung 2016 im Wohnungsbau erneut mit Kostensteigerungen von rund 7 Prozent verbunden ist, wurde die gesetzliche Verschärfung zum Jahreswechsel 2015/2016 vollzogen und am 01.05.2016 auch die KfW-Förderpolitik auf die neuen Vorgaben der Energieeinsparverordnung abgestellt. So ist ab dem 01.05.2016 die KfW-Förderung für das Effizienzhaus 70 entfallen, weil diese vorherige Förderstufe praktisch den neuen gesetzlichen Standard darstellt.

VORGABEN FÜR SCHNEE- UND WINDLASTEN GILT ES ZU BEACHTEN.

Ebenfalls zu beachten ist die bauordnungsrechtliche Einführung der Eurocodes, die auch im Mauerwerksbau zum Jahreswechsel 2015/2016 in 15 deutschen Bundesländern vollzogen wurde. Nur Niedersachsen hat den Eurocode 6 für den Mauerwerksbau noch nicht bauordnungsrechtlich umgesetzt.

Bereits in den Vorjahren wurden bauordnungsrechtlich neue Vorgaben für Schnee- und Windlasten in Deutschland eingeführt. An neuen Grundsätzen für erdbebensicheres Bauen in Deutschland sowie einer neuen Erdbebenzonenkarte wird aktuell gearbeitet. Die Experten rechnen hier in zwei bis drei Jahren mit neuen Vorschriften. Also ändert sich auch zukünftig das gesetzliche und normative Umfeld für die tägliche Praxis der Wertschöpfungskette Bau.

Ein weiteres grundsätzliches Thema stellt der angekündigte Vollzug eines Gerichtsbeschlusses des Europäischen Gerichtshofes (EuGH-Urteil C-100/13) zur weiteren Umsetzung des Bauproduktenrechts in Deutschland vom 15. Oktober 2014 dar. Nach diesem EuGH-Beschluss hat die Bundesregierung zwei Jahre, bis Oktober 2016, Zeit, das System der staatlichen Bauaufsicht von der bisherigen Orientierung auf Produktsicherheit nun neu auf die Bauwerkssicherheit umzustellen. Zurzeit läuft dazu der Notifizierungsprozess für die neue Musterbauordnung und den ersten Entwurf der Verwaltungsvorschrift für technische Baubestimmungen (VV TB) bei der Europäischen Kommission. Ob es zu diesen für die Notifizierung eingereichten Entwürfen seitens der Europäischen Kommission Zustimmung, Änderungswünsche oder Ablehnung gibt, kann daher noch nicht eingeschätzt werden.

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass spätestens ab Ende Oktober 2016 eine kombinierte Kennzeichnung von Bauprodukten mit einem CE-Kennzeichen und einem zusätzlichen Ü-Zeichen nicht mehr zulässig sein wird.

Von praktischer Bedeutung für die tägliche Arbeit des Tragwerksplaners wird dabei einerseits sein, aus welchen Dokumenten er zukünftig die notwendigen Produktangaben für seine Bauteilbemessung rechtssicher erhält. Andererseits wird zu prüfen sein, ob in der neuen Verwaltungsvorschrift für technische Baubestimmungen spezielle Vorgaben für Bauteile und Gebäude enthalten sind, die bei der Bemessung von Bauwerken nach Verabschiedung der neuen Verwaltungsvorschrift berücksichtigt werden müssen.

UMSCHWENKEN VON PRODUKT- AUF BAUWERKSSICHERHEIT

MARKTANTEILE DER BAUWEISEN IM WOHNUNGSBAU IN DEUTSCHLAND. Auf Basis des meist verwendeten Baustoffes nach Kubikmeter umbauten Raumes. Quelle: Statistisches Bundesamt, Auswertung DGfM (Auswertungsreihe 3.2.2, Juni 2016). Alle Angaben in Prozent.

All diese Veränderungen müssen auch für die Bemessung von Mauerwerkskonstruktionen diskutiert werden. An dieser Stelle ist ein Blick auf die unterschiedliche Entwicklung der Bauweisen auf der Basis fertiggestellter Wohnungseinheiten in den Jahren von 2012 bis 2015 interessant. Die Tabellen 1 bis 5 weisen die gemäß den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes ausgewerteten Statistiken für den Wohnungsbau insgesamt (Tabelle 1) sowie für die Gebäudearten Einfamilienhaus (Tabelle 2), Doppel- und Reihenhaus (Tabelle 3), Mehrfamilienhaus ab 3 Wohnungseinheiten (Tabelle 4) und sonstige Wohnungseinheiten mit dem Schwerpunkt neu errichteter Wohnheime (Tabelle 5) aus.

Anhand der Kubikmeter umbauten Raumes ist aus den Statistiken zunächst zu entnehmen, dass der Mauerwerksbau nach wie vor für die Gebäudearten Einfamilien-, Doppel- und Reihenhaus sowie für den Mehrfamilienhausbau mit Marktanteilen zwischen 70 und 78 Prozent die meist verwendete Bauweise ist. Diese Marktpositionen konnten in den letzten Jahren nicht nur gehalten, sondern auch ausgebaut werden.

Grundsätzlich kann eingeschätzt werden, dass mit der bauordnungsrechtlichen Einführung des Eurocode 6 der Mauerwerksbau in der Bemessung sehr einfach bleibt. Auch beim Eurocode-6-Mauerwerksbau gibt es einen separaten Normungsteil 3 für die vereinfachte Bemessung, der sich nur unwesentlich vom bisherigen Teil 3 der DIN 1053 unterscheidet. Nach aktuellen Umfragen kann prognostiziert werden, dass weit über 80 Prozent aller Wohnungsbauten in den Anwendungsgrenzen der einfachen Bemessung liegen und so sehr einfach nachgewiesen werden können.

Aktuelle Untersuchungen und Studien haben ebenfalls ergeben, dass trotz der Verschärfungen durch die Energieeinsparverordnung 2016 grundsätzlich alle tradierten Mauerwerkskonstruktionen geeignet sind, die erhöhten energetischen Anforderungen an Gebäude und Gebäudeteile zu erfüllen.

Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus Kiel zeigen, dass im direkten Vergleich der Wandbauweisen der Mauerwerksbau im Median der vorliegenden Untersuchungsergebnisse für alle wesentlichen Wandbauarten nach wie vor die kostengünstigste Bauweise ist. So liegen die Kostenvorteile, bezogen auf die Wandkonstruktion bei Mehrfamilienhäusern, gegenüber Wänden aus Stahlbeton bei bis zu 10,5 Prozent und gegenüber Konstruktionen des Holzrahmenbaus bei bis zu 15,1 Prozent.

Diese Kostenvorteile schlagen bis in die nachgewiesenen Herstellungskosten für einen Quadratmeter Wohnfläche (Kostengruppe 300 und 400 nach DIN 276) durch. Hier ist ein mit Mauerwerkskonstruktionen errichtetes Wohnhaus im mehrgeschossigen Wohnungsbau im Vergleich zum Bau mit Stahlbetonwänden pro Quadratmeter Wohnfläche 2,0 bis 3,8 Prozent und gegenüber dem Holzrahmenbau 4,7 bis 6,0 Prozent günstiger.

DAS MAUERWERK IST NACH WIE VOR BEIM HAUSBAU SEHR BELIEBT.

NACHHALTIGKEIT IN KOMBINATION MIT GÜNSTIGEN BAUKOSTEN

Ebenfalls beachtenswert sind neueste Untersuchungen zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlichster Bauweisen. Unter Ansatz anerkannter Zertifizierungssysteme zur Nachhaltigkeit von Bauwerken kann geschlussfolgert werden, dass Konstruktionen aus Mauerwerk nicht nur nachhaltig sind, sondern im Vergleich zu allen anderen Bauweisen in einigen Kriterien auch die günstigsten Werte ausweisen.

Beispielhaft sei hier auf die beiden obigen Darstellungen verwiesen, in denen ein direkter Vergleich von Nachhaltigkeitseigenschaften im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse eines untersuchten Muster-Mehrfamilienhauses über 50 und 80 Jahre Standzeit ausgewiesen wird. Dabei ist zu erkennen, dass Konstruktionen aus Mauerwerk bezüglich der Bewertung der Treibhausgasemissionen (GBW-Werte) vergleichbare Werte wie Holzrahmenkonstruktionen aufweisen. Für eine realen Betrachtungszeitraum von 80 Jahren sind die Werte sogar nahezu identisch.

Bei anderen wesentlichen ökobilanziellen Nachhaltigkeitskriterien, wie Versauerungspotenzial (AP) oder Primärenergieverbrauch (PE gesamt), sind die Werte für Mauerwerkskonstruktionen sogar teilweise günstiger. Massive Wandkonstruktionen aus Mauerwerk bieten damit nicht nur traditionell, sondern auch ganz aktuell, kostenoptimierte und nachhaltige Lösungsansätze zur Umsetzung eines bedarfsgerechten, bezahlbaren Wohnungsbaus in Deutschland.

LEBENSZYKLUSANALYSE ÜBER 50 (LINKS) UND 80 JAHRE (RECHTS). Ökobilanzielle Gesamtergebnisse für Treibhauspotenzial (GWP), Versauerungspotenzial (AP) und Primärenergie gesamt (PEges) des Muster-Mehrfamilienhauses, normiert auf die Stahlbetonvariante. Systemgrenzen und Berechnungsparameter: Bilanzierung aller Bauteile sowie des Wärme- und Stromverbrauchs der Nutzungsphase für einen Betrachtungszeitraum von 50 bis 80 Jahren und über den gesamten Lebenszyklus hinweg (Herstellung, Nutzung und Rückbau).

Dr. Ronald Rast promovierte 1985 zum Dr.- Ing. auf dem Gebiet der Betontechnologie. 1990 erfolgte seine zweite Promotion zum Dr. sc. techn. auf dem Gebiet der Baustoffwissenschaften. Seit 2006 ist er sowohl Geschäftsführer der DGfM e.V. als auch der DGfM Service GmbH in Berlin.

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