Entstanden aus einer Anhäufung loser vulkanischer Auswurfmassen ist Trass ein ökonomisch und technologisch wertvoller Baustoff, der seit Jahrtausenden im Baugewerbe eingesetzt wird.
VON WALTER SIMON
RHEINISCHER TRASS IST EIN VULKANISCHER TUFF, DER BEIM AUSBRUCH DES LAACHER-SEE-VULKANS IN DER ÖSTLICHEN EIFEL ENTSTAND UND SICH IM BROHTAL SOWIE IM NETTETAL FINDET.
Trass ist ein natürlicher Rohstoff. Er gehört zur Stoffgruppe der Puzzolane, das heißt, er reagiert mit Calciumhydroxid (Ca(OH)2) zu hydraulischen Komponenten, die unter Wasser fest werden und dort auch beständig sind. Puzzolanität beschreibt die Eigenschaft eines Stoffes, beim Anmachen mit Ca(OH)2 in wässriger Lösung festigkeitsbildende C-S-H- und C-S-A-Phasen zu erzeugen. Entscheidend ist dabei das Vorhandensein von reaktionsfähiger Kieselsäure SiO2 und dem Reaktionspartner Ca(OH)2.
Die Herkunft des Begriffs „Trass“ ist nicht eindeutig. Infrage kommen Herleitungen vom lateinischen Wort „terrenus“ (erdig) oder vom niederländischen Wort „tyrass“ (Kitt). Geologisch gesehen ist Trass aus einer Anhäufung loser vulkanischer Auswurfmassen entstanden. Durch Pressung, Gebirgsdruck und verkittenden Einflüssen wässriger Lösungen entwickelte sich ein mehr oder minder festes Gestein – der Tuff.
In Deutschland liegt das einzige nennenswerte vulkanische Vorkommen in der Eifel. Deshalb spricht man auch vom „Rheinischen Trass“. Das Vulkangebiet der Osteifel besteht aus ca. 100 Vulkanzentren, die bis vor 13.000 Jahren aktiv waren. Doch nicht immer ist die Entstehung von Trass auf vulkanische Aktivitäten zurückzuführen. Sein Ursprung kann auch auf anderen dramatischen Naturereignissen beruhen. Vor etwa 15 Millionen Jahren formte ein gewaltiger Meteoriteneinschlag das Nördlinger Ries im Gebiet der heutigen Schwäbischen Alb. Durch die gigantische Energiefreisetzung entstand so der „Bayerische Trass“, der Suevit, und somit das zweite wichtige Trassvorkommen in Deutschland.
Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um einen Trass. Diese Bezeichnung stammt aus einer Zeit, in der man davon ausging, dass der glashaltige Suevit des Nördlinger Ries‘ aus dem der „Trass“ hergestellt wird, vulkanischen Ursprungs ist. Erst um 1960 konnte die Entstehung des Riesenkraters und damit auch die des Suevits durch einen Meteoriteneinschlag erklärt werden. Trass und Suevit sind ökonomisch und technologisch wertvolle Baustoffe, da sie einen Teil des Bindemittels im Mörtel und im Beton ersetzen können. Besonders hervorzuheben sind auch die ökologischen Vorteile. Im Gegensatz zu Zement oder Kalk, bei deren Herstellung viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird, kann der Einsatz von Trass- oder Suevitmehl zu einer verbesserten Ökobilanz durch geringeren Energieverbrauch und Schadstoffausstoß führen.
Trass wurde bereits in der Antike verbaut. Es waren Griechen, Phönizier und Römer, die diesen Stoff entdeckten und nutzten. Das Bauhandbuch „Opus Caementitium“ (Heinz O. Lamprecht, Beton-Verlag) beschreibt die Bautechnik der Römer sehr eindrucksvoll. Damals stand die Ökobilanz von Baustoffen noch nicht im Vordergrund, sondern die Funktionstüchtigkeit und die Qualität der aus Trass und Kalk gemischten Bindemittel. Die Römer hatten die vulkanischen Trassvorkommen auf der Insel Santorin und im Gebiet Puzzoli am Golf von Neapel entdeckt. Die deshalb sogenannten „Puzzolane“ waren wesentlicher Bestandteil des römischen Bauwesens. Als sich das Imperium Romanum bis zum Rheinland ausdehnte, suchten die Römer hier nach geeigneten Stoffen für die Mörtelaufbereitung – und entdeckten sie im vulkanischen Osteifelgebiet.
Die Erfahrung der tausendjährigen römischen Baustoff-Technologie wurde auch im ausgehenden Mittelalter weiter genutzt. Etwa ab dem 16. Jahrhundert setzten die Niederländer verstärkt auf Trass, um negative Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit und Wassereinwirkungen auf Bauwerke langfristig zu verhindern. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung „Trass“: So nannten die Niederländer die Puzzolane aus der Osteifel, abgeleitet vom italienischen Wort „ terrazzo“ (Fußboden aus Zement), das wiederum auf das lateinische Wort „terra“ (Erde) zurückgeht.
In den darauffolgenden Jahrhunderten nutzte man verstärkt Bindemittel mit hydraulischen Eigenschaften. Und auch hier fand Trass Anwendung, denn er machte Mörtel und Beton geschmeidiger und somit besser verarbeitbar. Außerdem können Anwender Mörtel und Beton mithilfe von Trass stärker verdichten. Das war früher sehr vorteilhaft, da damals Beton noch nicht maschinell, sondern durch Stampfen verdichtet werden musste. In der industriellen Produktion wurden schließlich Zement und Trass direkt im Werk zusammen gemahlen und so optimal vermischt. Heute sind Trass, Trass-Zement und Trass-Kalk sowie die damit hergestellten Mörtel aufgrund ihrer Qualitätsmerkmale aus der professionellen Bautechnologie nicht mehr wegzudenken.
Gerade wenn es um Themen wie nachhaltiges Bauen, Sanieren und Restaurieren geht, ist Trass ein echtes Allround-Talent. Die Reaktivität mit Kalk beruht auf der chemischen Zusammensetzung und der Mahlfeinheit des Trasses. Der Begriff „Puzzolanische Reaktivität“ beinhaltet zwei Parameter: Die maximale Bindung von Kalk und die Geschwindigkeit, in der die Kalkbindung abläuft. Beide Faktoren hängen von der Beschaffenheit der aktiven Phase und von ihrem Anteil im Puzzolan ab:
Die reaktionsfähige Kieselsäure SiO2 im Trass braucht den Reaktionspartner Ca(OH)2, um hydraulisch erhärten zu können. Trass alleine erhärtet nicht – in Verbindung mit Kalkhydrat, hydraulischen Kalken oder Zement kommen jedoch seine hervorragenden mörteltechnischen Eigenschaften zum Tragen. Die im Naturstoff Trass enthaltenen Alkalien, im wesentlichen Natrium- und Kaliumsulfat, haben mit der richtigen Rezepturgeometrie keine schädlichen Auswirkungen: Sie werden während der Erhärtung eingebunden und sind dann nur noch in geringer Konzentration lösbar. Der Festigkeitsverlauf von trasshaltigen Mörteln und Bindemitteln nimmt über längere Zeit kontinuierlich zu – bei einem relativ niedrigen Festigkeitsniveau im Vergleich zu zementgebundenen Produkten. Durch moderne Baustofftechnologie lässt sich der Festigkeitsverlauf im trasshaltigen Baustoff objektbezogen so beeinflussen, dass die Baustoffe auch mit Trasszusatz über eine geregelte Früh- und Endfestigkeit verfügen, abhängig vom verwendeten Trass und von der Rezeptur.
In seiner Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Rheinischer Trass aufgrund seiner puzzolanischen Eigenschaften ein geschätzter Mörtel- und Betonzusatzstoff. Vor allem bei der Herstellung großer Betonmassen und „ wasserdichter“ Mörtel fand er, zusammen mit Kalk und Zement, Verwendung. Heute werden für Betone mit puzzolanischen Eigenschaften vor allem Flugaschen eingesetzt. In der modernen Mörteltechnologie wird Trass heute weniger wegen seiner puzzolanischen Eigenschaften verwendet, sondern aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaft als feinkörniger Zusatzstoff: mineralisch, kalkbindend und auch noch festigkeitssteigernd. Er passt als Feinstoff in viele mineralische Mörtel, die mit Maschinen appliziert werden oder bei der händischen Verarbeitung Geschmeidigkeit mitbringen müssen.
In Sanierungsmörteln für historische Bausubstanz und in der Natursteinverlegung liegen heute die Haupteinsatzgebiete. Durch den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, beginnend mit der konzeptionellen Mörtelentwicklung 1996, wurde der Naturbaustoff Trass nach langer Zeit wieder einmal naturwissenschaftlich mit moderner Technologie geprüft. Die für das Bauwerk entwickelten Trassmörtel wurden vor dem Verarbeiten einem eigens für dieses Objekt entwickelten Prüfraster unterzogen.
Nach dem Durchlaufen dieser Prüfungen wurden die Mörtel zum Verarbeiten freigegeben und im Anschluss vergleichend gegengeprüft. Darüber hinaus waren sowohl händisch zu verarbeitende Mörtel als auch maschinengängige Mörtel für das Mauern, Fugen, Putzen und Verfüllen gefordert. Die Untersuchungen erstreckten sich über die gesamte Bauzeit des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden. Die Mörtelqualität wurde lückenlos den Bauteilen zugeordnet, sodass nach Rohbaufertigstellung und Inbetriebnahme Rückschlüsse auf die Mörtelrezepturen und ihr Verhalten im Bauwerk gezogen werden konnten. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Alkaligehalt im Mörtel und den Langzeitfestigkeiten geschenkt. Aus der engen, umfassenden Überwachung und Bewertung wurden zahlreiche Eckdaten und Anforderungen an trasshaltige Mörtel für die tägliche Baupraxis abgeleitet und festgeschrieben. Bereits bestehende Verfahren fanden im Praxistest ihre Bestätigung (zum Beispiel siehe K. Kraus, J. Eisenberg, D. Schenk und K. Droll (2003): „Untersuchung wasserlöslicher Salzgehalte in modernen hydraulischen Kalkmörteln“ oder W. Klemm: „Salze“, in: „Mauerwerk Kalender 2008“).
HISTORISCHE BAUSUBSTANZ
Die Firma tubag als führender Hersteller von Trassmörteln überdachte ihre Rezepturen und optimierte die Inhaltsstoffe, vorrangig mit Blick auf die wasserlöslichen Alkaligehalte sowie auf die Früh- und Endfestigkeit. Trassmörtel der Festigkeit M 2,5 und M 5 mit Alkaligehalten < 0,1 Prozent wurden dem Markt vorgestellt. Die Mörtel wurden für neue, denkmalgerechte Applikationsverfahren in Nass- und Trockenspritztechnik optimiert. Trasshaltige Mörtel für Mauerkronen und Sockelbereiche historischer Gebäude ergänzen das Sortiment. Betrachtet man das Bindemittelspektrum, vom carbonatisch erhärtenden Bindemittel (Weißkalk CL 90) bis zum hydraulisch erhärtenden Bindemittel (Zement), hat auch nach 2.000 Jahren der Trass im Bindemittel einen festen Platz. In modernen Mörteln für die Sanierung und Natursteinverlegung hat der Naturwerkstoff Trass nahezu unbegrenzte Einsatzgebiete.